Neubau des Flusswasserkraftwerkes Rheinfelden, ein neuer R(h)einfall?!

Sprengung der Baugrube/ Maschinenhaus

 

Ursprüngliches

Das älteste Wasserkraftwerk am Hochrhein wurde nach nur 4 Jahren Bauzeit, im Jahre 1898 in Betrieb genommen. Es ist eines von 10 weiteren Kraftwerken auf der 145km langen Strecke zwischen Basel und dem Bodensee. Das nutzbare Gefälle des Hochrheins beträgt rund einen Meter je Kilometer. Mit einer installierten Leistung von 26MW und einer mittleren Jahresproduktion von 185Mio kWh nutzt das Kanalkraftwerk mit 600m³/s Durchflussmenge derzeit nur etwa knapp die die Hälfte der verfügbaren Wassermenge der Rheins. Die mittlere Jahresabflussmenge beträgt rund 1100m³/s.

 

Für den Neubau des Flusskraftwerkes Rheinfelden ist eine Bauzeit von 8 Jahren vorgesehen. Bereits im Jahre 2003 begonnen, soll 2011 der erste Strom fließen. Eigentümer ist eine Aktiengesellschaft mit einer Mehrheitsbeteiligung der EnBW Baden Württemberg AG. Die Betreibergesellschaft ist die Energiedienst Holding AG mit Sitz im Schweizerischen Laufenburg. Als Produzent von ausschließlich erneuerbarer Energie sieht sich die Energiedienst AG als Nischenplayer auf dem Öko-Strommarkt.

Das neue Flusskraftwerk ist mit einer Ausbauwassermenge von 1500m³/s geplant. 7 Wehrfelder stauen den Fluss auf und regeln den Zulauf für 5 Turbinen mit einer Gesamtleistung 100MW. Das Kraftwerk Rheinfelden wird ab 2012 jährlich rund 600Mio kWh ökologischen Strom erzeugen.

 

Arge Partner

 Für den Neubau des Flusskraftwerkes wurden Arbeitsgemeinschaften gegründet. Argepartner sind Züblin, Schleith GmbH, Implenia und Rothpletz/ Lienhard.

Für die Durchführung der Sprengarbeiten wurde gleichfalls eine Arge gegründet, die Arge SFR (Stauwehr Flusskraftwerk Rheinfelden). Argepartner sind die EPC Deutschland Sprengtechnik GmbH und die EPC Deutschland Lutscher Sprengtechnik GmbH.

 Hauptaufgaben der Arge SFR sind Lockerungssprengungen im Maschinenhaus, den Gruben O-M-U und der Rheinaustiefung. Die Baugrube für das Maschinenhaus wurde bis zu einer Endtiefe von 36m unter dem Wasserspiegel des Rheins gebohrt, gesprengt und ausgebaggert. Dazu wurden 268.000m³ Platten und Trochitienkalk bewegt.

Die Gruben O-M-U und die Rheinaustiefung sind als Einheit zu betrachten.  Am Turbinenausgang beginnend, entsteht ein 2 km langer, 90m breiter und  9,50m tiefer Abflusskanal. Länge und Querschnitt des Kanals haben entscheidenden Einfluss auf den künftigen Wirkungsgrad der Anlage. (zu sprengende Masse: 880.000m³)

 

Vorbereitungen

Bevor jedoch mit den Sprengarbeiten begonnen werden konnte, bedurfte es umfangreicher Vorbereitungen.  In der Mitte der Rheins endet auch die Gültigkeit des Befähigungsscheins nach §20. Zwei Sprengmeister der Arge SFR wurden von der SAFAS (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Ausbildung von Sprengberechtigten) ausgebildet und erhielten einen Schweizer Sprengausweis mit einem C- Eintrag. Dieser berechtigt a) Allgemeine Sprengarbeiten mit erhöhtem Schadensrisiko zu planen, auszuführen oder ausführen zu lassen;

b) Allgemeine Sprengarbeiten mit hohem Schadensrisiko nach den schriftlichen Anweisungen (Projektunterlagen usw.) ausgewiesener Fachpersonen zu planen und untere deren projektbezogenen Überwachung auszuführen.

 Des Weiteren waren Einfuhrgenehmigungen für die einzusetzenden Sprengstoffe einzuholen, die Verkehrswege und die Lagerung der Sprengstoffe zu klären und ein Zeitmanagement für die Einhaltung der Fertigstellungstermine zu organisieren.

 

Maschinenhaus

Die Sprengarbeiten im Maschinenhaus erfolgten in Strossen mit einer jeweiligen Abtragshöhe von 4m. Um Einlaufwinkel, Gebäudekanten und Trennflächen in der Baugrube möglichst zielgenau zu sprengen wurde ein GPS Vermessungssystem eingesetzt. 

Über Satelliten wird die aktuelle Oberfläche des Geländes an eine Basisfunkstation am Ufer und von dort über die Bagger-Antennen auf einen Vermessungs-PC in der Baggerkabine gesendet. Auf dem PC wird dann der so eruierte Ist-Zustand mit der programmierten Solltiefe verglichen und die auszugrabende Tiefe und Fläche errechnet. Mit Hilfe des Baggerzahns werden die Messpunkte mit einer Genauigkeit von +/- 15cm im Gelände übertragen.

 

Während der gesamten Bauphase führten unkontrollierte Wasserzuflüsse immer wieder zu größeren Problemen beim Bohren und Laden der Bohrlöcher. Abhilfe schaffte nur ein konsequentes Abtäufen der Pumpensümpfe und deren Ausstattung mit leistungsstarken Pumpen.

 Gesprengt wurden nahezu täglich, bis zu 150 Bohrlöcher. Neben patronierten gelatinösen Sprengstoffen wurde in der Hauptsache Emulsionssprengstoff Blendex 80 verpumpt. Gezündet wurde Nichtelektrisch mit dem System Daveynel 2. (Spez. Sprengstoffaufwand 300g/m³) 

 

Grube O-M-U Für die Lockerungssprengungen in den Gruben O-M-U kommt ein gesondertes Sprengverfahren zum Einsatz, welches zum Zeitpunkt der Niederschrift noch keine nachweisliche Reife erzielt hatte, um es zu publizieren.

Darum beschränken sich die Ausführungen auf die Aufgabenstellung und deren generelle Durchführung

1.       Nach Aufschüttung des Flusses bis zur Gewässeroberkante erfolgt die

       Vermessung der Bohrlochpunkte mittels GPS

2. Bohrlochherstellung durch Überlagerungsbohren (2-7m durch Lockergestein- bis zur Endtiefe von ca.             12m im Plattenkalk des Rheins)

3.       Einbringen von gepumpter Emulsion durch das Bohrrohr mittels einem gesonderten Ladeverfahren

4.       Nichtelektrische Zündung von max. 4-6 Bohrlöchern (Lademenge /Zündzeitstufe 60kg, spez. Sprengstoffaufwand 500-700g/m³)

 

Erschütterungen  

1. Schwerpunkt der Betrachtungen ist das angrenzende Wohngebiet „Alte Saline“ (600 Bewohner) auf der Schweizer Rheinseite.

2. Die mehrgeschossigen Wohngebäude befinden sich parallel zu den Gruben O-M-U und wurden auf dem Gelände einer ehemaligen, mit Aushub aufgefüllten Kiesgrube errichtet. Die Anwohner sind größtenteils auch Eigentümer der Wohnungen. (max. Entfernung zur Sprengstelle 500m, min. Entfernung 30m)

3. Auf dt. Seite befinden sich die Industrieanlagen der Degussa.

4. Vor Aufnahme der Sprengarbeiten wurde eine umfangreiche Beweissicherung durch den Auftraggeber durchgeführt.

5. Mit der Überwachung der Sprengerschütterungen wurde die Uni Karlsruhe beauftragt. Sie führt permanente Kontrollmessungen auf dt. Seite in der Degussa, und auf Schweizer Seite in der Alten Saline und in einem direkt am Rhein gelegenen Hotel durch. Die Messgeräte befinden sich jeweils im obersten Vollgeschoss der Gebäude.

6. Die Arge SFR misst im Rahmen der Eigenkontrolle an dem zur Sprengstelle nächst gelegenen zu schützenden Objekt

7. Während der Lockerungssprengungen im Maschinenhaus traten auf Grund der geringen Abtragstiefen (4m), den kleinen Lademengen je Zündzeitstufe und der Entfernung zur Alten Saline keine oder nur geringe Probleme auf.

8. Lockerungssprengungen in den Gruben O-M-U führen ab 300m Entfernung zur Alten Saline zu deutlich spürbaren Erschütterungen. Die durchschnittlichen Schwinggeschwindigkeiten im 4. Obergeschoss bewegen sich zwischen 4-10 mm/s bei 6-10Hz. Gesprengt wird in den Gruben O-M-U 2-3 mal am Tag für die Dauer von ca. einem Jahr.

9. Diese teils kräftigen Erschütterungen erfordern den behutsamen und offenen Umgang, die Betreuung und die Auseinandersetzung mit den Anwohnern. 

 

Im Mai 2008

Joachim Milde